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    WEISSBUCH
    über die amerikanisch-englische Interventionspolitik in Westdeutschland und das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus
    Überreicht vom Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland
    Abgeschlossen am 4. August 1951
    2. Auflage
    Satz: VEB Offizin Haag-Drugulin und Sachsenverlag Werke Leipzig. Druck und Buchbinderarbeiten Sachsenverlag Werke Leipzig III/18/211/21 000/51

    06/99

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            (Seite 171- 180)

    Der organisatorische Stand der Remilitarisierung

    Im Laufe der. Jahre sind den anglo-amerikanischen Kriegsmachern von deutschen Militärexperten diverse Aufrüstungspläne auf Bestellung geliefert bzw. freiwillig angeboten worden. Die namhaftesten Lieferanten waren Guderian, Halder, Graf Schwerin, von Manteuffel u. a. Die Pläne sind zum Teil durch die Entwicklung überholt, aber seit Monaten kehren als Zahlen, die den Umfang der ersten Etappe der Wiederaufrüstung erkennen lassen,
    200 000—250 000 immer wieder; und die Pläne sind auch insofern noch von Interesse, als sie erkennen lassen, wie sidi die allgemeine Linie des "deutschen Generalstabes" durchgesetzt hat.

    Die französische Zeitung "Le Monde" gab am 27. Oktober 1950 aus einem Interview mit Graf Schwerin, der zu dieser Zeit noch Adenauers militärischer Berater war, folgende Einzelheiten wieder: Schwerin meinte, daß "die Alliierten von den Deutschen als Basis der Mobilisation die Aufstellung von zehn Divisionen, also in Friedenszeiten etwa 200 000 Mann, fordern werden.
    Im Falle des Krieges könnte Westdeutschland 3,5 Millionen Mann mobilisieren, wobei man die Kriegsindustrie in Rechnung stelle, schätzt der kleine deutsche Generalstab' (petit etat major allemand), dessen Leitung Graf Schwerin innehat, aber es sei notwendig, sofort die Kommandos einzusetzen. Diese Armee der zehn Divisionen müßte vor allem eine motorisierte Panzerarmee sein."

    Inzwischen haben sich die Forderungen schon etwas erhöht, und auch die am 13. Juli 1951 genannten Ziffern werden noch eine Aufrundung erfahren. In dem erwähnten Washingtoner Bericht in "Le Monde" vom 21. Juni 1951 ist für Westdeutschland bis 1953 das Ziel von 40 Divisionen gestellt. Diese Veränderungen nach oben sind insofern interessant, als sie signalisieren, daß der amerikanische "Kriegs-Boß" keine Zeit verlieren will. Eine möglichst große Anzahl von heute aufgestellten Divisionen erhöht morgen die Chancen einer raschen Mobilisierung der in Westdeutschland für den Militärdienst verfügbaren 3,5 Millionen Menschen, eine Zahl, die eher zu niedrig als zu hoch bemessen ist. Die Hinweise auf eine Steigerung erst in Jahren dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine rasche Mobilisierung durchaus möglich ist. England und die Vereinigten Staaten hatten bis zum ersten Weltkrieg und danach bis zum zweiten nur ein beschränktes Söldnerheer von Berufssoldaten und keine allgemeine Wehrpflicht, und haben in beiden Kriegen in sehr kurzer Zeit Massenheere auf die Beine gestellt. Mit den heute in Westdeutschland bereits in militärischen Einheiten erfaßten Kadern und da in Westdeutschland auf viele ausgebildete Jahrgänge mit Kriegserfahrung zurückgegriffen werden kann, ließe sich eine Mobilisierung nach Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht sehr schnell durchführen. Das setzt allerdings voraus, daß der Widerstand der Bevölkerung Westdeutschlands gebrochen wäre. Diese Faktoren sind in dem zwischen Bonn und den Westmächten abgesprochenen Wiederaufrüstungsplan einkalkuliert. Das ist wichtig festzuhalten, damit sich niemand, wir wiederholen es, durch Jahreszahlen täuschen lasse, die langfristige Zielstellung für die Wiederaufrüstung vorschützen. Durch die immer wieder genannten Ziffern von 200 000 bis 300 000 Mann darf man sich auch über den Umfang der Wiederaufrüstung nicht täuschen lassen. Das ist nur die "Basis", die erste Etappe der Wiederaufrüstung. Wenn die allgemeine Wehrpflicht einmal eingeführt ist - und das wird der nächste Überraschungscoup des westdeutschen Separatstaates sein - dann ist die prinzipielle Entscheidung gefallen und die "legale" Basis für ein westdeutsches Massenheer gegeben.

    Die Gliederung und Dislokation dieses Heeres erfolgt in engster Anlehnung an die der ehemaligen Wehrmacht. Ihr ehemaliger Generalstabschef, Generaloberst Halder, hat im Sommer 1950 einen Plan für die Schaffung einer regelrechten Wehrmacht für das amerikanische Oberkommando in Deutschland ausgearbeitet. Danach ist Westdeutschland in neun militärische Bezirke eingeteilt, was ebenso vielen Armeekorps entspricht.

    Die Armeekorps setzen sich wie folgt zusammen:

    Militärbezirk/Zusammensetzung:

    Münster i. W. 3 Infanteriedivisionen, 1/2 Panzerdivision
    Stuttgart 3 Infanteriedivisionen
    München 2 Infanteriedivisionen, 1 Brigade
    Würzburg 2 Infanteriedivisionen
    Nürnberg 2 Infanteriedivisionen, 1 Panzerdivision
    Kassel 3 Infanteriedivisionen, 1 Panzerdivision
    Hamburg 3 Infanteriedivisionen
    Hannover 3 Infanteriedivisionen
    Wiesbaden 3 Infanteriedivisionen
    Insgesamt 24 Infanteriedivisionen, 2 1/2 Panzerdivisionen und 1 Brigade Gebirgsjäger

    Weiter vorgesehen ist die Schaffung eines "Reichsluftfahrtministeriums", dem die militärische und zivile Luftfahrt unterstehen. Westdeutschland ist für die Luftfahrt in vier Militärbezirke mit den Zentren Münster, München, Kiel und Braunschweig aufgeteilt.

    Die Dienstpflicht soll wieder eingeführt werden. Die Offiziere sollen ausschließlich vom Armeeoberkommando ausgewählt werden. Um den Offiziersnachwuchs zu sichern, sollen in Hannover und München Offiziersschulen für Infanteristen, Ingenieure und Funker geschaffen werden. Die Dauer des aktiven Dienstes in allen Waffengattungen soll zwei Jahre betragen. General Halder beabsichtigt, seinen Plan in drei Etappen durchzuführen:

    1. Einberufung von 25 000 Instrukteuren, die in sechsmonatiger Dienstzeit ihre militärischen Kenntnisse "auffrischen" und sich mit ihren künftigen Aufgaben vertraut machen sollen.

    2. Schaffung von Rekrutierungsdienststellen, mit Instrukteuren für die verschiedenen Militärbezirke.

    3. Einberufung und Bildung von Einheiten. ("Les Partisans de la Paix", Paris, Heft 15, September 1950.)

    Die Remilitarisierung in Westdeutschland steht unmittelbar vor der dritten Etappe des Halderschen Planes.

    Die in allen Wiederaufrüstungsplänen deutscher Experten an erster Stelle geforderte Aufstellung von Kadern erfolgt unter den verschiedenen Tarnungen. Auch nach der Niederlage des deutschen Imperialismus 1918 bemühte sich der aufgelöste Generalstab vor allem um die Zusammenhaltung der militärischen Kader. Das war der Grundgedanke v. Seeckts bei Schaffung der Reichswehr. Daneben wurde zuerst in Freikorps, Bürger-, Einwohner- und Studentenwehren, in der aus den Freikorps hervorgegangenen .Schwarzen Reichswehr", dann in halbmilitärischen Verbänden: Stahlhelm, Werwolf, SA und SS und sogar im republikanischen Reichsbanner eine Rekrutieningsbasis auf Massengrundlage von ideologisch, organisatorisch und in militärischer Grundausbildung präparierten Menschen für das spätere Massenheer geschaffen.

    Die Grundidee der Remilitarisierung in Westdeutschland, soweit sie von deutschen Militärs ausgeht, ist die gleiche, die v. Seeckt verfolgte. Das Tempo der Aufstellung der Kader und des Zustrebens auf das Massenheer allerdings ist amerikanisiert Den "schwarzen" Wiederaufrüstungsvorbereitungen wurden in Westdeutschland keine Hindernisse bereitet. Bald nach der Niederlage von 1945 tauchten die verschiedensten "wirtschaftlichen" Interessenverbände für ehemalige Wehrmachts-angehörige und "Hinterbliebene", .Notgemeinschaften", Unterstützungsvereine, getarnte Regiments- bzw. Divisionsvereine (siehe u. a. "Windhunde" des Generals Schwerin, Fallschirmjäger des Generals Student usw.), Werwolf, Stahlhelm, Technische Nothilfe und ähnliche Organisationen auf. Nach einer Meldung der United Press aus Bonn vom Januar 1951 wurde im Gebiet des westdeutschen Separatstaates eine "Erste Legion" mit 100 000 jungen Deutschen gebildet. Mit der Aufzählung der genannten Organisationen ist weder ihre Zahl erschöpft noch ihr Umfang ermeßbar. Es kommt in diesem Zusammenhang vor allem darauf an, ihr Vorhandensein und ihre Bedeutung auch für die psychologische Vorbereitung der Wiederaufrüstung festzustellen und parallele Züge zur .schwarzen" Wiederaufrüstung in der Weimarer Republik aufzuzeigen. Die Duldung und Förderung dieser Organisationen charakterisiert auch die faschistischen Tendenzen des Bonner Staates, in dem keine Kriegspartei rechts von Adenauer existiert; er bedient sich der Rechtsparteien und -gruppen ebenso wie der Schumacherschen .Opposition". Sowohl die SS-Division "Großdeutschland" als auch die Fallschirmjäger haben sich für Adenauer erklärt. Im westdeutschen Separatstaat vollzieht sich die Verlagerung des Schwergewichts von der "schwarzen" zur "legalen" Wiederaufrüstung sehr viel schneller als in der Weimarer Republik.

     

    "Arbeitseinheiten" — eine getarnte Armee

    Unabhängig von den durch deutsche Stellen in Westdeutschland betriebenen Wiederaufrüstungsmaßnahmen sind die westlichen Besatzungsmächte schon seit Jahr und Tag darangegangen, das westdeutsche Menschenreservoir für ihre militärischen Zwecke anzuzapfen. Das geschieht bis auf den heutigen Tag durch "Werbung" für die Fremdenlegionen verschiedener Staaten. Aber vor allem haben wir hier die sogenannten "Arbeitseinheiten" der amerikanischen und englischen Besatzungsmacht, die zu regelrechten Söldnerarmeen angewachsen sind. "Das Hauptquartier der US-Armee dementiert Gerüchte, daß die Arbeitskompanien und Industriepolizei-Einheiten eine .getarnte Armee seien'. Die Gesamtstärke der Arbeitskompanien betrage zur Zeit 30 000 Mann. Der größte Teil der Mannschaften sind Deutsche, etwa 60 Prozent ehemalige Soldaten, darunter frühere Generale der Wehrmacht. So sei der ehemalige Generalleutnant Gustav von Varst, der unter Rommel in Afrika stand, bei den Nürnberger Arbeitskompanien, Exgeneral Gerhard Matzky, früher Korpskommandeur im Osten, Verbindungsoffizier' beim US-Hauptquartier. (General Matzky ist inzwischen zum Kommandeur der Grenzschutzpolizei ernannt. Der Verfasser.) Außerdem sind die ehemaligen Generale von Schlieben, Paul Mahlmann und frühere Luftwaffen-generale in Majorstellung bei den Arbeitskompanien. Ein General, dessen Name nicht genannt wird, dient als Unteroffizier. Diese Generale dürfen nach Mitteilung des US-Hauptquartiers keine militärischen Übungen durchführen oder die Umstellung der Arbeitskompanien in eine .deutsche Armee" vorbereiten." ("Nürnberger Nachrichten", Nürnberg, 23. Oktober 1950.) Diesem Dementi gegenüber steht eine Feststellung der dem Petersberg nahestehenden .Westdeutschen Allgemeinen" vom 30. Mai 1951, wonach die sogenannten deutschen Arbeitseinheiten (Gennan Service Organisation) jetzt offen in eine Armee umgewandelt worden sind. Den in 85 Lagern der GSO befindlichen Deutschen wurde eine "Proklamation der Rheinarmee" - lies Söldner-Verpflichtung - bekanntgegeben. Danach werden die Arbeitseinheiten, wie die "Westdeutsche Allgemeine" wörtlich schreibt, "umgewandelt in Einheiten mit wehrmachtähnlichem Stellenplan". Die Gliederung erfolgt nach militärischem Muster. Auch die Dienstbezeichnungen werden militarisiert. Neueintretende heißen jetzt - wie einst - "recruits". Für die 35000 GSO-Männer, von denen zur Zeit 16000 in Niedersachsen, 13000 in Nordrhein-Westfalen und 6000 in Hamburg und Schleswig-Holstein eingesetzt sind, bedeutet diese .Bekanntgabe vor der Front" kaum eine Überraschung. Sie wußten, daß schon im Herbst 1950 in den Anstellungsverträgen das Wörtchen "zivil" gestrichen und "Arbeit" durch "Dienst" ersetzt worden war. Neu ist auch die Anordnung, daß die deutschen Söldner künftig nicht, wie bisher, nur im britischen Besatzungsgebiet, sondern auf Befehl der Amerikaner in ganz Westdeutschland eingesetzt "werden.

    General Speidel hat sich teilweise sehr verärgert über die "kalte Remilitarisierung" in der amerikanischen und britischen Zone durch Aufstellung größerer Einheiten der Industriepolizei und Wachkommandos geäußert. Wie verlautet, sollen diese Formationen durch Verbände der ehemaligen Wlassow-Armee und DPs verstärkt werden. Politische Beobachter in Bonn beziffern ihre Gesamtstärke auf bereits 125 000 Mann, Man spricht vom Aufbau getarnter Fremdenlegionen, die der deutschen Befehlsgewalt entzogen sind. Es ist anzunehmen, daß von alliierter Seite der Aufbau der Industriepolizei und ähnlicher Verbände bewußt forciert wird, da der Weg über die offizielle Wiederbewaffnung auf unerwartet heftigen Widerstand der Deutschen gestoßen ist." ("Kasseler Zeitung". Kassel, 23. Februar 1951.) Im übrigen haben - einer Meldung der "Neuen Zeitung", München-Berlin, vom 13. Dezember 1950 zufolge - die "Arbeitseinheiten" ihre Tätigkeit auch in West-Berlin aufgenommen. "Dies wurde am Dienstag vom Hauptquartier der amerikanischen Garnison in Berlin bekanntgegeben." Die in der "Kasseler Zeitung" angegebene Ziffer ist sicher nicht zu hoch gegriffen. Das Amt für Information der Deutschen Demokratischen Republik hat Ende April 1950 auf Grund exakter Unterlagen die Stärke dieser Arbeitseinheiten in der amerikanischen Zone auf 107 400 und in der britischen Zone auf 80 000 Mann beziffert.

    Aber auch 125 000 deutsche Söldner in fremdem Dienst auf deutschem Boden sind ein bedrohlicher Faktor, wenn man den Frieden und die Einheit Deutschlands im Auge hat.